Ich habe mich sofort in das Stück verliebt, als ich irgendwann 2019 das erste Mal eine wacklige Aufnahme von der Tourproduktion 2015 auf Youtube gesehen hatte (vielleicht ist es mir auch nur so unfassbar ans Herz gewachsen, weil ich darüber Roberta Valentini "gefunden" habe, wer weiß… ). Als ich also davon erfuhr, dass die konzertante Aufführung im Ehrenhof von Schloss Schönbrunn 2021 wiederholt werden sollte, war mir sofort klar, dass ich auf jeden Fall nach Wien muss! Ich liebe auch die Stadt sehr, seit ich 2015 zum Eurovision Song Contest das erste Mal dort war und Person A und ich hatten uns seit dem fest vorgenommen wieder zu kommen. Dann wurde es verschoben… Ein ganzes Jahr länger warten… Ich beschloss also Person A zum runden Geburtstag eine Karte zu schenken, Person B schloss sich uns nach kurzer Absprache an.
Um 4:30h klingelte also am 30.6. der Wecker und wir fuhren zum Flughafen. Ohne größere Probleme durch die Sicherheitskontrolle und ein paar Stunden bis zum Start tot schlagen. Dann um 9:20h beginnt das Boarding und pünktlich eine halbe Stunde später startet unser Flug nach Wien, den ich großteils verschlafe. Wir landen und suchen unsere Pension, laden alles ab und befreien uns aus den langen Klamotten. Mist. Eigentlich wollte ich zum Schloss einen langen Rock und mein Elisabeth-Tshirt anziehen, aber dafür ist es bei fast 30°C einfach zu warm. Es wird also das Tshirt und eine kurze Hose. Na gut. Weniger schick, aber dafür luftiger. Wir machen uns auf den Weg zum Schloss Schönbrunn, oder besser: Zu einem nahe am Schloss gelegenen Biergarten. Wir haben mittlerweile fast 15h und alle noch nichts gegessen. Dort angekommen waren Burger und Pommes sehr schnell verspeist. Unser Tisch war bis 13:20h für "Jovanovic" reserviert, ob das wohl die selbe Jovanovic war, deren Unterschrift auf meinem Beutel ist? So häufig ist der Nachname ja wohl kaum… Wer weiß. Schnell aufgegessen gingen wir also noch etwas durch den Schlossgarten, per Zufall auch tatsächlich durch das richtige Tor, welches auch auf unseren Karten stand. Hätten sie uns am Haupteingang nicht reingelassen? Ich weiß es nicht, vielleicht. So waren wir auf jeden Fall auf der sicheren Seite. Also kurzer Verdauungsspaziergang durch den Park, dann hoch zur Gloriette und wieder runter. Eine Bank im Schatten gesucht und einen kurzen Mittagsschlaf gehalten.
Gegen 19h machen wir uns auf die Suche nach dem Eingang und folgen einer Gruppe gutgekleideter Damen. Hier sind wir wohl richtig. Mit etwas Sorge zeige ich meine Karte vor, auf der noch 2021 steht. Ich weiß, eigentlich ist das albern sich zu sorgen, natürlich wurde die Karte verlängert… Aber wenn halt ein anderes Datum drauf steht, werde zumindest ich etwas nervös (wie auch schon im März bei Mark mal anders). Wir werden alle drei durchgelassen und suchen erstmal nach unseren Plätzen: Block A1, Reihe 2, Platz 5 und 6 und Reihe 3, Platz 5. Da ich die Karten für Person A und B erst ein Jahr später und nachdem ich meine (Reihe 2, Platz 5) schon hatte, gab es leider keine 2 zusammenhängenden Plätze mehr neben mir. Ehrlich gesagt, war ich schon froh, dass ich noch 2 Plätze im selben Block bekommen habe. Wir sitzen erstaunlich weit vorne, nur ein bisschen seitlich, sodass man den hinteren Teil der Bühne nur schlecht sehen kann. Aber das ist okay, man sieht den vorderen Teil sehr gut und außerdem sind links und rechts von der Bühne ja noch zwei große Leinwände angebracht, also alles halb so wild. Wir gehen etwas über den Platz und besorgen uns Fächer (es ist immer noch unfassbar warm!) und ein Programmheft. Das muss einfach sein. Mittlerweile liegen unsere Plätze im Schatten, also setzen wir uns und verbringen die Zeit damit die anderen Besucher zu beobachten. Die Outfits gehen von Ballkleidern und Anzügen über Polohemd und Ausgehkleid bis zu Jeans und Tshirt. Alles dabei. Sehr spannend. Person A erkennt immer wieder ihren eigenen Kleiderschrank an anderen Leuten wieder. Ich eher nicht, aber okay, ich trage ja auch zu 80% selbstbemalte Unikate, da wird das schwierig (hier könnte Ihre Werbung stehen Noah (@ajnorsnerdshirts) • Instagram). Ich gehe das Programmheft durch und wundere mich etwas Denise Jastraunig nicht darin wiederzufinden. Ich hatte doch gestern auf Instagram gesehen, dass sie bei der Generalprobe dabei war… Seltsam
Konzert Beginn
10 Minuten vor Beginn ertönt die erste Ansage und alle nehmen so langsam ihre Plätze ein. Nach einer zweiten Ansage betritt das Orchester die Bühne und unter Applaus wird der Dirigent, Michael Römer, begrüßt. Dann erklingen auch schon die ersten, mir so unglaublich bekannten, Töne und es geht los.
Während des Prologs, beziehungsweise, während "Alle tanzten mit dem Tod" habe ich tatsächlich Tränen in den Augen: Ich bin wirklich hier, endlich, und sehe diese Stück, was mir so unglaublich viel bedeutet! Es ist einfach unwirklich.
Bevor wir zu "Wie du" wechseln, beobachte ich das Ensemble nochmal ganz genau: Und auch hier, das ist eindeutig Denise Jastraunig! Sehr kurios.
Szenenwechsel: "Wie du" gesungen von Hans Neblung als Max und Abla Alaoui als junge Elisabeth. Ich erkenne das Kleid wieder, das hab ich schon gemalt! Abla passt ganz wunderbar in die Rolle, ich sehe sie zum zweiten Mal live. Das erste Mal war in "Mamma Mia!", als Lisa. Auch Hans Neblung als Max macht seine Rolle super. Sie harmonieren sehr gut als Vater-Tochter-Duo. Eine kleine Textänderung fällt mir auf. Es heißt jetzt "leben frei, so wie ein Streuner", statt der rassistische Begriff, der dort vorher im Textbuch stand. Meiner Meinung nach höchste Zeit, den Text zu aktualisieren. Gut gemacht.
Bei "Schön euch alle zu sehen" bekommen wir Katja Berg als Ludovika und David Jakobs als Lucheni das erste Mal zu Gesicht: Letzterer ist einer der Darsteller, auf den ich mich besonders gefreut habe (Funfact: Ich habe schon mit seiner Schwester zusammen auf einer Bühne gestanden und gesungen), auch wenn ich ihn ja in meinem geliebten Theater Dortmund (Berlin skandalös Premiere) immer wieder in verschiedenen Rollen sehen kann. Er ist, wie nicht anders zu erwarten, großartig als Lucheni. Frech, sarkastisch, leicht zynisch. Genau so wie es sich für die Rolle gehört. Auch Katja Berg bringt die stolze, etwas über-enthusiastische Mutter sehr gut rüber, ich bin gespannt wie sie sich später im Stück als Frau Wolf schlagen wird. Die "Zirkuseinlage" ist sehr gut gelöst, mit einer Schaukel die in den Bogen auf der Bühne gespannt wird. Sissi fällt und unter Jubel und Gekreische betritt der Tod, alias Mark Seibert die Bühne. Das Kreischen hab ich das letzte Mal so schlimm bei Alex Klaws in Dinslaken erlebt (Die Gala der Musicalstars). Er lässt sich davon aber nicht aus dem Konzept bringen und singt seine Rolle wie immer fehlerfrei und wunderschön.
Wir befinden uns nun auch auf der Bühne in Wien bei Franz Joseph und seiner Mutter, denn es folgt "Jedem gibt er das Seine". Ihr habt vielleicht schonmal bei mir gelesen, dass mich zu große Altersunterschiede stören. So auch in diesem Falle: Wenn man die Rolle der Elisabeth auf zwei Darstellerinnen aufteilt, warum kann man das nicht auch mit Franz Joseph machen? Versteht mich nicht falsch, ich finde es wirklich, wirklich toll, wie divers die Cast im Bezug auf Alter und auch Statur der Darsteller ist. Es müssen ja nicht nur Mitte 20jährige mit Sixpack auf der Bühne stehen! Aber ich finde es auch etwas schwierig, wenn Franz Joseph im Laufe des Stückes nicht altert und von Anfang an graue Haare hat, wenn das bei Sissi eben nicht der Fall ist. Davon abgesehen ist André Bauer ein sehr überzeugender Franz Joseph und auch Daniela Ziegler als Sophie passt gut auf die Rolle, die sie doch schon so oft gespielt hat.
In Bad Ischl treffen die beiden Familien dann bei "So wie man plant und denkt" aufeinander und grade hier ist der Altersunterschied zwischen den beiden Darstellern doch sehr störend, da Franz Joseph älter aussieht als seine Tante, Ludovika. Ich find das schwierig, aber jeder hat da ja seine eigenen Präferenzen. Singen und spielen tun sie alle wunderbar. Ich stelle fest, dass ich auch dieses Elisabeth-Kleid bereits gemalt habe, allerdings nicht an Abla, sondern an Marle Martens von der Tour-Version 2015. Ich liebe diese Szene ja sehr (Okay, ich liebe 90% des Stückes sehr….), weil die "Kinder" sich dort endlich aus dem strengen Bann der Mütter lösen und, wenn auch nur für wenige Minuten, ihrem eigenen Herz folgen können. Vielleicht finde ich mich auch da ein bisschen drin wieder…
Es folgen "Nichts ist schwer" und die Hochzeit unserer Protagonisten. Ich muss ein wenig lachen, da sich David Jakobs Lucheni quasi in jeder Szene in irgendeiner Ecke der Bühne rumdrückt. Auch hier überreicht er als Requisiteur die Kette an Franz Joseph, welche er dann Elisabeth umlegt. Der arme Mann hat in dem Stück ja noch weniger Pause als alle anderen Hauptrollen, und das bei 30° im Schatten. Mein Beileid. Nach "Alle Fragen sind gestellt" (übrigens muss ich an dieser Stelle einmal erwähnen, wie toll umgesetzt die Choreographien für eine konzertante Aufführung sind! Da habe ich mit deutlich weniger gerechnet) und "Sie passt nicht" (ich liebe ja das Hin und Her zwischen den Hofdamen und -herren (und -Personen)) folgt endlich ein Lied, das meine beiden Begleitungen auch erkennen: "Der letzte Tanz". Hab ich schon gesagt wie toll ich Abla Alaoui als Elisabeth finde? Sie bringt die Naivität, die Verletzlichkeit, die Verspieltheit der jungen Kaiserin genau so gut rüber wie ihre Ungewissheit und Angst. Und dass die Frau singen kann wie ein Engel sollte wohl auch jedem Musicalfan klar sein. Sie ist die perfekte Besetzung für die Rolle.
Weiter geht es mit "Eine Kaiserin muss glänzen". Elisabeth kommt bei Hofe an und wird von Sophie mit allen Regeln und Pflichten konfrontiert, an die sie sich nun als Kaiserin zu halten hat. Leider fehlen Daniela Ziegler ein paar Sätze, sodass Abla einen Teil der Diskussion mit sich selbst führt. Naja, kann ja mal passieren. Person A und B ist es auch gar nicht aufgefallen. Wir kommen zu "Ich gehör nur mir" und damit leider auch schon zum letzten Lied für Abla. Zwischen der ersten und zweiten Strophe, die übrigens von Sylvester Levay, dem Komponisten des Stücks, persönlich dirigiert werden, wird sie von Maya Hakvoort als Elisabeth abgelöst. Schade. Ich finde sie hätten den Wechsel auch erst zur Pause durchführen können. Aber ich verstehe natürlich auch, dass einige der Zuschauer vielleicht nur wegen Maya hier sind und sie dann natürlich auch genau dieses Lied singen hören wollen. Trotzdem Schade. Ich hätte gerne noch mehr von Abla gesehen.
Auf der Reise durch Ungarn verstirbt Elisabeths Tochter, Sophie. Der kleine Sarg der dafür auf der Bühne steht ist doch etwas hart zu sehen, genau wie Elisabeths Trauer. Etwas irritierend ist jedoch, dass Sophies Geburt durch die Textkürzungen überhaupt keine Erwähnung findet. Wer weder mit dem Stück noch dessen historischen Hintergrund bekannt ist erfährt von Sophie jr. Existenz also erst bei ihrem Tod. Ansonsten stören die Textkürzungen nicht weiter, auch die Übergänge sind, zumindest im ersten Akt, fließend und es fällt nicht weiter auf, dass einige Strophen fehlen.
Zurück in Wien finden wir uns in einem Kaffeehaus wieder, wo munter das Leben den Monarchen diskutiert wird. Auch hier möchte ich nochmal die einfache aber sehr effiziente Umsetzung erwähnen. Das Herrenensemble hat als Requisite bloß ein paar Zeitungen in den Händen, welche ganz wunderbar in die Choreographie für "Die fröhliche Apokalypse" eingebunden ist. Wirklich toll gemacht. Ich finde es immer sehr faszinierend wie mit ganz einfachen Mitteln Geschichten entstehen können, wie auch schon bei Songs for a new World, mit einer eher minimalistischen Inszenierung (ich kann es nicht anders sagen, aber ein Hoch auf Gil Mehmert, der sowohl in Dortmund als auch hier in Wien die Regie geführt hat. Ich finde seine Inszenierungen einfach immer toll).
Aus irgendeinem Grund hat sich in meinem Kopf seit dem ersten Mal, als ich mit dem Stück in Berührung gekommen bin, festgesetzt, dass JETZT die Pause ist. Ist aber Quatsch, denn es geht weiter mit "Kind, oder nicht". Steffi Irmen als Amme und Daniela Ziegler als Sophie diskutieren über die Erziehung des jungen Kronprinz, der heute von Niklas Petzer gespielt wird. Sophie gibt Rudolph an Graf Gondrecourt, der ihn mit seinen militärischen Methoden zum Kaiser erziehen soll. Elisabeth erfährt davon und stellt Franz Joseph in "Elisabeth, mach auf" ein Ultimatum: Er muss sich zwischen ihr und seiner Mutter entscheiden. In diesem Lied findet sich übrigens auch die Zeile wieder, deren Noten für immer unter meiner Haut sind. Ihr könnt mal raten, welche es ist.
Elisabeth entscheidet für sich selbst zu kämpfen was zur "Milch"- Knappheit in der Stadt führt. Der Missmut im Volk steigt und wird (im Stück) von Lucheni aufgewiegelt. Ich suche im Ensemble: Nein, Abla ist nicht dabei. Dann spielt sie wohl wirklich nur ein Drittel des Stücks überhaupt mit. Schade. Eine weitere Neuerung (oder ein Fehler?), es heißt nun "Unser Kaiserin soll sich pflegen", statt "wiegen". Vielleicht habe ich mich auch verhört. Wenn nicht, finde ich auch diese Änderung sinnvoll. Mich hat das "Wiegen" immer schon etwas irritiert. Franz Joseph geht auf das Ultimatum ein und mit "Ich gehör nur mir (Reprise)" endet auch schon der erste Akt.
PAUSE
Da die Plätze zu meiner Rechten alle frei sind, setzt sich Person B in der Pause um und neben uns. Ich scheine da irgendwie einen Schutzengel zu haben, selbst in der angeblich ausverkauften Vorstellung von "Disney in Concert" waren neben uns Plätze frei! Person A ist überzeugt davon Daniela Ziegler von irgendwo zu kennen. Ich kenne sie nur als Herzogin Sophie aus anderen Elisabeth Aufnahmen… Die anderen Darsteller, die Person A wieder erkennt kann ich ihr alle erklären: Lukas Perman kennt sie von "I am from Austria", Katja Berg vom letzten Benefizkonzert aus dem Raimund Theater, Abla Alaoui von "Mamma Mia!", Mark Seibert weil ich ständig zu seinen Solo-Konzerten gehe (meist aber nicht seinetwegen, sondern wegen seinen Gästen…) und Maya Hakvoort von den letzten zwei ORF Musical-Galas. Nur Daniela Ziegler kann ich ihr nicht erklären. Ein kurzer Blick auf ihre Wikipedia Seite später verrät uns, dass meine Eltern sie wohl aus dem deutschen Fernsehen kennen, nun ja gut, hätten wir das Mysterium auch geklärt.
Nach 20 Minuten geht es weiter. Während es langsam dunkel wird und die Grillen weiter zirpen, betritt das Orchester die Bühne und fängt an zu spielen. Man hört David Jakobs Stimme, aber man sieht ihn nicht, bis sich auf einmal das ganze Publikum gen Mitte des Platzes wechselt, wo der durchs Publikum zur Bühne läuft. Unerwartet, aber eine schöne Idee. Als dann im Laufe des Liedes das Kaiserpaar auch noch per Kutsche bis vor die Bühne gefahren wird ist die Überraschung perfekt. Wenn schon open-air, dann muss man das auch ausnutzen!
Es folgt "Wenn ich tanzen will". Natürlich wunderschön gesungen. Tatsächlich ist dieses Elisabeth-Kleid mein lieblings Kostüm im ganzen Stück. Das eigentlich davor kommende "Eljén" wird leider weg gelassen. Schade, es war eine Zeit lang mein Lieblingslied. Elisabeth erklärt ihre Unabhängigkeit vom Tod als auch von ihrem Mann, was dazu führt, dass der kleine Rudolph etwas auf der Strecke bleibt und in den Bann des Todes gezogen werden kann.
Elisabeth besucht die "Nervenklinik". Wir kriegen heute die Version aus der Uraufführung zu hören, die mir bis heute noch nicht bekannt war. Sie ist deutlich länger als spätere Versionen und äh... durcheinanderer. Wir kommen zu meinem Lieblingslied, "Gar nichts". Ich muss sagen, dass ich die Versionen von sowohl Annemieke van Damm als auch die von Roberta emotionaler finde als die von Maya Hakvoort an diesem Abend. Wunderschön ist das Lied aber dennoch.
Nach einem kurzen Szenenwechseln sind wir wieder bei Herzogin Sophie, die um ihren Einfluss auf den Kaiser bangt und mit ihrem Gefolge einen Plan ausheckt. Auch hier fehlen bei Daniela Ziegler wieder ein paar Zeilen. Der Plan: Franz Joseph auch mal anderen Frauen "vorzustellen" wird auch direkt in die Tat umgesetzt und wir finden uns in Frau Wolfs Salon wieder. Hier ein kurzer Einwurf: Warum muss es in allen (deutschen) Musicals mindestens eine Szene geben in der es um Sex oder Sexarbeiter*innen geht? Ist das notwendig? Naja... Auf jeden Fall kann Katja Berg auch als Frau Wolf überzeugen, genau so oder vielleicht sogar noch ein Stück besser als zuvor als Ludovika. Die Konsequenzen von Franz Josephs Fehltritt werden offenbar, als Elisabeth zusammen bricht und vom Tod "eine französische Krankheit" diagnostiziert bekommt. Allem zum Trotz lehnt sie sich gegen den Tod auf und beschließt das Fehlverhalten ihres Mannes zu ihren Gunsten zu nutzen und dies als ihren Freispruch zu verwenden.
Nun konfrontiert auch Franz Joseph seine Mutter Sophie mit ihrem intriganten Plan, welche daraufhin ihre Arie singt, wie viel sie doch für ihn aufgegeben habe, dass sie all das doch bloß zu seinem Schutz tue und getan habe, dass sie doch wenn es nur um sie gegangen wäre, ganz anders gehandelt hätte. Mit einem etwas abrupten Übergang erfahren wir von Lucheni von der Entfremdung vom kaiserlichen Ehepaar: Elisabeth reist um die halbe Welt, immer auf der Flucht vor ihrem Mann. Unterdessen wird Rudolph wieder vom Tod heimgesucht, indem er wie auch seine Mutter, einen Freund gefunden hat. Zu der Inszenierung von "Die Schatten werden länger (Reprise)" habe ich fragen: Wer hat Mark Seibert diese Peitsche in die Hand gedrückt? Warum? Und warum benutzt er sie wie ein Fischer beim Angel auswerfen? Vorher die Szenen wo der Tod Elisabeth als seine Marionette (übrigens auch richtig toll gemacht von allen Darstellern!) haben doch auch ohne Requisite funktioniert...
Rudolph wird auf Drängen des Todes zum Aufständischen und schreibt unter einem Pseudonym Aufrufe gegen das Kaisertum und das Handeln seines Vaters, welches dem natürlich gar nicht passt. Sie gehen im Streit auseinander nach welchem Rudolph bei Elisabeth Rat sucht. Diese ist aber so mit sich und ihrer eigenen Freiheit beschäftigt, dass sie ihn abweist: "Also lässt du mich im Stich", so wie auch Franz Joseph sie selbst am Anfang ihrer Zeit bei Hofe im Stich gelassen hatte. Währenddessen steigt im Volk der Unmut gegenüber dem Kaisertum und die ersten Anklänge des Nationalsozialismus breiten sich aus. Immer ein schwieriges Thema umzusetzen. In dieser Inszenierung haben sie sich dazu entschieden die Hakenkreuz-Flaggen abzuändern, mit drei "Armen" statt vieren.
Rudolph, verlassen von allen außer dem Tod (und Mary Vetsera, welche im Stück aber nicht wirklich vorkommt), sieht keinen anderen Ausweg mehr als den Selbstmord. Der Tod setzt ihm die Waffe an den Kopf und drückt ab. Diesmal ohne Kuss. Das kenne ich aus anderen Inszenierungen auch anders. Rudolphs Jacke bleibt auf der Bühne liegen und wird von der schluchzenden Elisabeth wie ein kleines Kind im Arm gewogen. Es bricht mir etwas das Herz. Eine wirklich, wirklich tolle Idee, die Szene so umzusetzen!
Lucheni berichtet uns von den kommenden Jahren, in den Elisabeth weiter vor Franz Joseph davon reist. Sie treffen aufeinander und Franz Joseph versucht sie zum Bleiben zu überreden, aber manchmal "ist Liebe nicht genug". Es ist zu viel in der Ehe falsch gegangen. Das Schicksal hat zu oft gegen die beiden entschieden. Auch hier muss ich sagen, dass ich die Szene schon emotionaler als hier von Maya Hakvoort und André Bauer gesehen habe.
Franz Joseph findet sich bei "Alle Fragen sind gestellt (Reprise)" in einem Albtraum mit den verstorbenen Habsburgern konfrontiert, welche auf den Leinwänden eingeblendet werden. Die dazu gehörige Strophe fehlt allerdings ebenso wie eine Erklärung zu den Bildern. Auch hier ist wieder historisches Vorwissen oder aber eine sehr gute Kenntnis des Stücks gefragt um die Inszenierung zu verstehen. Nicht ideal für meine Begleiter.
In Genf ersticht Lucheni die Kaiserin mit der Pfeile, welche ihm der Tod zuvor überreicht hatte und "Der Schleier fällt". Das dritte Lied aus dem Stück, welches lange mein Lieblingslied war. Elisabeth fällt dem Tod, nach ihrer langen Trauer und Sehnsucht nach ihm endlich um den Hals und mit einem Kuss wird ihr Schicksal besiegelt. Zu meinem Erstaunen trägt Mark Seibert Maya Hakvoort tatsächlich bis das Licht aus geht auf den Armen. Hätte ich nicht mit gerechnet. Aber das Bild ist toll.
Ich löse mich aus dem Bann der Bühne und tauche wieder in der Realität auf um beim Applaus aufzustehen und mit zu klatschen. Die Darsteller bekommen Blumen überreicht und Michael Kunze (der Librettist) und Sylvester Levay (der Komponist) richten noch ein paar Worte ans Publikum. Das Stück wird dieses Jahr 30 Jahre alt (älter als ich!) und sie danken allen Mitwirkenden.
Unter tosendem Applaus verbeugen sich alle noch mehrmals und auch das Kreativteam kommt mit dazu. Nach bestimmt 5 oder 6 Runden der Verbeugungen stirbt der Applaus langsam ab und wir machen uns, wie alle anderen auch auf den Heimweg. Ich mache mir in der extrem vollen Bahn noch ein paar Notizen für diesen Artikel und nach einem Umstieg kommen wir verschwitzt, müde und sehr, sehr glücklich in unserer Pension im 9. Bezirk an. Es war einfach wundervoll.
Fazit: Was soll ich groß sagen? Ich liebe das Stück, ich liebe große Orchester, ich liebe die Inszenierung. Es war einfach großartig. Die wunderschöne Kulisse hat das Ganze nochmal ein Stück besonderer gemacht, als es das eh schon ist. Ich bin unfassbar glücklich, dass ich das miterleben durfte!
PS: Das Rätsel um Denise Jastraunig (wir erinnern uns ganz an den Anfang diese Artikels) hat sich auch noch geklärt. Sie ist für die erkrankte Melanie Ortner-Stassen eingesprungen, welche bei der letzten Aufführung am 2. wieder gesund war und selber spielen konnte. Hätte ich sie nicht erkannt, wäre mir nicht aufgefallen, dass sie "nur" eingesprungen ist. Wirklich, ganz, ganz großes Kompliment!
Kommentar schreiben