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Die Gala der Musicalstars

Ich sah die Anzeige etwa Mitte Juli auf dem Instagram Profil von Patrick Stanke, sah Roberta Valentinis Namen und kaufte mir eine Karte. Ich würde der Frau durch die halbe Welt folgen (Ok, halb NRW hatte ich immerhin schon, von Wuppertal über Bielefeld nach Oberhausen und jetzt halt Dinslaken... wenn alles gut geht dann noch Solingen in ein paar Monaten, aber dazu dann mehr). 

 

Die Vorfreude stieg mit jedem Tag, nur die Karte wollte einfach nicht bei mir ankommen. Nach mehreren Emails hin und her bekam ich dann per Mail ein Bestätigungsschreiben, dass ich auch ohne Karte eingelassen werden sollte. Super.

 

Einige Tage vor der Gala kam dann auch die Mail mit dem Hygienekonzept. "Die Stadt Dinslaken stellt Ihnen gerne eine Maske zur Verfügung", da diese auch am Platz getragen werden solle. Naja, schon ok, ich werde ja auch auf der Zugfahrt nach Dinslaken Maske tragen müssen.

 

Also, am 3.9. wieder aus dem Urlaub zurück bereite ich alles für den folgenden Tag vor: Packe meine Tasche, mache mein Geburtstagsgeschenk für Frau Valentini fertig (in der Hoffnung es ihr auch überreichen zu können), suche mir Klamotten und eine Zugverbindung raus. Alles paletti. Am nächsten Tag ist es dann soweit, gegen 15:45h nehme ich den Bus zum Bahnhof, steige in den nächsten Zug bis Oberhausen und warte auf meinen Anschlusszug. Er wird angesagt, taucht aber nicht auf. 5 Minuten später fährt ein anderer Zug ein. Ich werde nervös. Wo ist mein Zug? Ich darf nicht zu spät kommen. "Nach Beginn ist leider kein Einlass mehr möglich". Oh shit... Ich öffne meine Bahn-App. Der nächste Zug soll um 17:50h kommen. Eigentlich wollte ich pünktlich zum Einlass um 17:30h da sein. Ich wechsele den Bahnsteig. Pünktlich kommt der Zug. Gott sei dank. Ich schwitze wie ein Schwein vor Nervosität zu spät zu kommen. Erst der ganze Stress mit der Karte und jetzt DAS! In Dinslaken am Bahnhof angekommen jogge ich mit Hilfe von Google-Maps bis zum Burgtheater. Es ist 18:20h und ich werde mit meinem Schreiben ohne weitere Probleme eingelassen. Ich kaufe mir für 1€ ein Programmheftchen (hier der Diminutiv, weil es sich um ein "Heft" in DIN A5 Format aus einem DIn-A4 Blatt handelt in dem die Lieder und Interpreten des Abends stehen), lehne dankend die Einmal-Maske ab(ich trage ja schon seit über 2 Stunden meine eigene, dann kann ich sie auch auf behalten), dann such ich nach meinem Platz. Rechter Block, vorletzte Reihe, ganz am linken Rand, sodass neben mir der Gang ist und ich einen super Blick auf die Bühne habe ohne am Kopf der Vordermänner vorbei sehen zu müssen. (Alle Theater-, Konzert- oder Kinogänger kennen ja den elendigen Tanz, wenn ein größerer Mensch vor einem sitz, der nicht stillhält und man versucht die ganze Zeit irgendwie an diesem Kopf vorbei zu sehen. Sehr unentspannt.)

 

Nach ein paar Sekunden habe ich den Anschein den Veranstalter hinter mir sitzen zu haben. "Die haben alle keine Masken an! Wenn jetzt das Ordnungsamt vorbei kommt muss ich für jeden 200€ zahlen!" Ich mache einen unauffälligen Schulterblick und richtig: Hinter mir sitzt Andreas Luketa, der Kopf der "Sound of Music Concerts" Agentur. Sie beschließen, dass die Maskenpflicht nochmal in einer Anrede erwähnt werden sollte. Dann sind sie kurz verschwunden um den Befehl weiter zu geben. Nach kurzer Zeit tauchen sie wieder auf und unterhalten sich über die nicht kürzer werdenden Kloschlagen (Also nicht Schlangen im Klo, sondern Menschenansammlungen vor den Klos, versteht sich). "Das werden eher mehr als weniger! Aber wir müssen jetzt anfangen. Wir können nicht später starten!" Es wird jemand los geschickt um alle auf die Plätze zu bitten und pünktlich zum Gong finden sich auch alle wieder dort ein wo sie hingehören. 

 

Die Band betritt die Bühne und der Dirigent hält eine kurze Ansprache bezüglich der Masken und dem Verbot von Aufnahmen. Kurze Zeit später ertönen die ersten Töne aus dem "Prolog" von "Joseph" und Michaela Schober betritt unter Applaus die Bühne. Als das Lied in "Wie vom Traum verführt" übergeht kommt auch Andreas Bieber im kunterbunten Mantel, wie es sich für Joseph gehört, auf die Bühne. Er führt auch durch den Abend und moderiert die verschiedenen Blöcke unglaublich lustig, sympathisch und unterhaltsam an. Ich kannte ihn bisher nur von CD Aufnahmen und kurzen Ausschnitten auf Youtube und er war mir immer etwas unsympathisch, dieses Bild konnte er aber in den kurzen Stunden des Konzerts um 180° drehen. 

 

Der nächste Block (die Sound of Music Concerts Konzerte sind sehr gerne in Blöcke unterteilt, kann das sein?) ist die erste von 2 großen Musicalreisen um die Welt. Diese beginnt mit "Sind die Sterne gegen uns" aus "Aida" gesungen von Patrick Stanke und Marle Martens. Die Stimmen harmonieren sehr schön miteinander. Danach folgt "Wein nicht um mich Argentinien" aus "Evita" gesungen von meiner geliebten Roberta Valentini. Ich mag das Musical sehr gerne. Es erinnert mich an meine verstorbene Oma aus Argentinien. Und meine Einstellung zu Roberta sollte eigentlich klar sein. Aber Himmel ist diese Übersetzung grausam. Es reimt sich kaum etwas und man merkt wie bei vielen Übersetzungen, dass das deutsche einfach eine eher harte Sprache ist. Natürlich singt sie es wunderschön, aber selbst Roberta kann die Übersetzung leider nicht völlig retten. "Everything" aus "Paramour" ist das nächste Lied. Leider nimmt man Michaela Schober und Philipp Büttner das Liebespaar nicht wirklich ab, sie wirken eher wie Tante und Neffe. Trotzdem toll gesungen, vor allem Michaelas Stimme trägt das Lied noch weit über das Burgtheater hinaus. Auf geht es nach Paris mit "The music of the night" aus dem "Phantom". Jan Ammann singt die obere Stimme während Carin Filipcic die Altstimme (klang zumindest so....) übernimmt. Eine wirklich interessante Version. Die Damenrunde vor mir findet es furchtbar und hängt es Carin an. Ich finde es toll, mal eine etwas andere Variation des doch schon so oft gehörten Klassikers. Der Block endet mit Patrick Stanke der "Wie wird man seinen Schatten los" aus "Mozart!" zum besten gibt. Der Mann hat die Stimme eines Engels und kommt mit einer Leichtigkeit in Tonhöhen auf die ein Großteil der Sopräne meines Chors neidisch wären.

 

Andreas Bieber kommt wieder auf die Bühne, im lila Anzug mit pinken Schuhen. Er kann es tragen. Er leitet über in den nächsten Block: Robin Hood und Goethe. Die beiden Dank Corona verschobenen Premieren. Er erklärt, dass es noch keine Notenpartituren für das eine Lied aus Robin Hood gäbe und daher zu einem Playback statt zur Band gesungen würde. Dann verlässt er die Bühne und Michaela Schober und Philipp Büttner betreten wieder die Bühne, sie singen "Endlich frei" aus "Robin Hood". Ich bin immer noch nicht überzeugt von der Darsteller Kombination als Liebespaar... Aber ich kann mir Johanna Zett sehr sehr gut als Marian vorstellen. Auch das Lied ist nicht der Hammer, aber der erste Eindruck ohne Kontext kann täuschen. Als mit mein Patenonkel damals zum ersten Mal "Wenn ich tanzen will" und "Ich gehör nur mir" vorgespielt hatte konnte ich überhaupt nichts damit anfangen. Mittlerweile gehört "Elisabeth" mit zu meinen Lieblingsmusicals. Es geht weiter mit drei Songs aus "Goethe". Ich bin ein bisschen schockverliebt in Marle Martens Stimme, ich kannte sie bisher nur vom Namen und hatte sie noch nie gehört. Das ist mir eindeutig etwas entgangen. Hier ein offizieller Aufruf: Googelt sie und hört sie euch an! Auch die Lieder sind wirklich interessant. Vielleicht muss ich auch dafür NRW verlassen und es mir nächstes Jahr ansehen. 

 

Der letzte Block vor der Pause ist "Der Hit aus Wien. Nein, der andere", wie Andreas Bieber ihn so schön ankündigt. "Tanz der Vampire". Der mit Abstand lustigste Block, Michaela Schober die in "Draußen ist Freiheit" als völlig genervte Sarah versucht vor Florian Heinke als sehr verliebter Alfred zu fliehen und sich mehr mit ihm abgibt als wirklich zu interagieren, während er ihr immer wenn sie einen Schritt weg von ihm macht, zwei auf sie zugeht. Sehr sehr lustig. Als sie ihn schließlich um den Schwamm zu holen in die Garderobe schickt erscheint Jan Ammann als der Graf und die "Totale Finsternis" wird angestimmt. Gen Ende des Liedes kramt Jan eine Vampirzahn-Maske aus der Tasche und verpasst Michaela damit den Biss. Das Publikum lacht hysterisch. Den Abschluss des Blocks macht, natürlich, "Die unstillbare Gier". Dann ist Pause. Aus einem für mich unerfindlichen Grund scheinen viele Zuschauer das als Zeichen zu deuten, dass die Masken jetzt abgenommen werden dürfen. Ich schüttele verständnislos den Kopf. Was denken sich die Leute? "Jetzt darf ich ja durch die Gegend rennen und komme ganz vielen anderen Menschen viel näher als an meinem Platz, also kann ich JETZT die Maske abnehmen. Ja, das klingt nach einer tollen Idee!" (Bitte schreibt mir, wenn ich zu böse in meinen Artikeln werde...) Die Frauen vor mir unterhalten sich über "das eine schlechte Duett", wie sich herausstellt halten sie nicht viel von Carin Filipcic: "Ich kenn die nicht mal!" Ich wundere mich. Ich bin ein bisschen traurig, dass Roberta bisher nur ein einziges Lied singen durfte und gucke ins Programmheft. Im zweiten Teil hat sie mehr zu tun. Zum Glück.

 

Nach einer halben Stunde ertönt der Gong wieder und alle finden sich auf den Plätzen ein. Der zweite Teil beginnt: Roberta Valentini und Jan Ammann betreten die Bühne. Erstere glitzere wie eine sehr elegante Diskokugel. Ich erkenne das Lied nach den ersten zwei Tönen (und nein, nicht nur, weil ich ins Programmheft geguckt habe!), es ist "Wenn ich tanzen will", wir sind im "Elisabeth" Block angekommen. Auch Jan Ammann gibt einen guten Tod ab und ihre Stimmen klingen toll zusammen. Meine Augen wandern immer wieder zu Roberta, selbst wenn ich versuche sie auf Jan zu richten. Ich kann da gar nichts für. Sie verlässt die Bühne, an ihrer Stelle betritt Andreas Bieber die Bühne und das Intro von "Die Schatten werden länger (Reprise)" erklingen. Zum ersten Mal kann ich Rudolfs Stimme heraushören und stelle fest, dass Andreas Bieber tatsächlich noch eine größere Bühnensau ist, als "die zwei Pfaue", wie Person A Jan Ammann und Mark Seibert gerne betitelt. Nach dem Lied verlassen beide die Bühne und Roberta Valentini singt "Ich gehör nur mir". Ich verliebe mich mal wieder in sie und verdrücke ein paar Tränchen. Ich liebe ihre Version des Lieds. Sie bekommt die ersten standing ovations des Abends. Zu recht.

 

Andreas Bieber bereitet uns auf die zweite Weltreise vor und schon singt Florian Heinke "Sansoucci" aus "Friedrich - Mythos und Tragödie" er kommt mir sehr bekannt vor aber ich kann es nicht zuordnen. Das Lied ist wirklich schön und ich mache mir etwas vorwürfe, dass ich dem Musical bisher keine Beachtung geleistet habe. Patrick Stanke schließt mit "Bring ihn Heim" an. Meine Güte, diese Stimme! Und diese Tonhöhen! Völlig ohne Mühe! Wie macht er das? Die Reise endet in Cornwell, "Rebecca" aus dem gleichnamigen Stück. Gesungen von Carin Filipcic und Michaela Schober. Die Damen vor mir stöhnen auf, als sie Carin sehen. Ich grinse etwas, als ich sehe wie Michaela sich hinter einem Lautsprecher versteckt um die erste Hälfte des Liedes nur das ominöse "Rebecca" in den Song zu flüstern. Gen Ende des Liedes ist dann auch die Gruppe vor mir von Carins Gesangskünsten überzeugt.

 

Es folgt der unvermeidliche Disney Block, angefangen mit "Under the sea", sehr charismatisch und lustig von Andreas Bieber gesungen mit Hilfe seiner "Krustentiere" Michaela Schober und Florian Heinke. Es folgt "Let it go" von Roberta, diesmal zum Glück auf englisch und nicht wie in Düsseldorf in deutsch. Ich höre gebannt zu und wundere mich, warum sie noch von keiner Synchronfirma angefordert wurde um Disneyprinzessin zu werden. Was Willemijn kann, kann Roberta mindestens genau so gut. (Nichts gegen Willemijn, sie ist eine wunderbare Elsa.) Es folgen "Monster" und "Into the unknown" gesungen von Marle Martens und Philipp Büttner. Hört euch Marle Martens an, ernsthaft! Den Abschluss machen Roberta Valentini und Michaela Schober mit einer Duettversion von "Speechless" aus "Aladdin". Ich bleibe, aus Ermangelung eines besseren Wortes, sprachlos zurück. Wow.

 

Den letzten Block haben sie im Programmheft "Pop Musicals" betitelt. "Der Sieger hat die Wahl" aus "Mamma Mia!" ist das erste Lied. Carin Filipcics Version lässt mich mit den Tränen kämpfen. Das von Patrick Stanke gesungene "Eye of the tiger" lässt die Stimmung wieder steigen. Es folgen "Rewrite the stars" gesungen von Marle Martens und Philipp Büttner, sowie "Griechischer Wein" von Andreas Bieber und Jan Ammann. Der Sirtaki der beiden führt zu großem Jauchzen im Publikum, auch ich grinse. Das letzte reguläre Lied ist "Waterloo", gesungen vom gesamten Cast. Ein gelungener Abschluss. Aber nein. Nach den Verbeugungen und dem Applaus folgen noch zwei Zugaben. Erst gibt Carin Filipcic "Erinnerung" aus "Cats" zum besten (es hätte mich fast gewundert, wenn sie es nicht getan hätte, immerhin spielt sie zurzeit die Grizabella in Wien) und zum Abschluss "Ich wollte nie erwachsen sein", gesungen von Andreas Bieber mit Unterstützung des gesamten Cast, wieder kämpfe ich mit den Tränen. Unter tosendem Applaus endet das Konzert. 

 

Ich bleibe noch ein bisschen an meinem Platz sitzen bis die Menschenmassen nicht mehr ganz so groß sind und gehe dann Richtung Ausgang. Ich suche Florian Heinke auf Instagram. HA! Ich habe ihn schon zweimal live gesehen und er war mir bei "When Musical meets history" im Februar im Chor aufgefallen, aber da ich dort kein Programmheft hatte (lange Geschichte) konnte ich seinen Namen nicht nachgucken! Ich wiege meine Möglichkeiten ab, ob ich die Darsteller noch erwische, aber außer mir scheint keiner zu warten... Also wird das wohl leider nichts... Naja, dann muss ich mir etwas anderes überlegen, wie ich das Geschenk los werde... Ich sehe Roberta voraussichtlich erst im November wieder, das ist etwas spät... Wenn von euch jemand eine Idee hat, gebt sie mir bitte weiter! 

Ich gehe zum Bahnhof, warte auf den Zug und verfasse meinen Instagram Post zum Konzert.  Mein Zug kommt. Laut App soll ich in Duisburg umsteigen und dort 20 Minuten auf den nächsten Zug warten. Ich entscheide mich dagegen und fahre bis Düsseldorf. Auf der Fahrt blinkt mein Handy auf und zeigt mir, dass sowohl Roberta als auch Marle meinen Post kommentiert haben. Ich grinse glücklich vor mich hin.

 

Um kurz nach 0h ziehe ich die Haustür hinter mir zu und blicke auf einen wunderschönen Abend zurück. Super Platz gehabt mit toller Aussicht auf die Bühne, nochmal von Roberta angesehen geworden (ich kann es mir ja zumindest einreden, lasst mir die Illusion), einige tolle Künstler zum ersten Mal live gesehen, ein paar neue Lieder und Musicals für mich entdeckt. Es war toll.

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