Nachdem ich am Vortag sehr spontan beschlossen habe meinen zweiten Stuttgart Tag nicht in Stuttgart zu verbringen stehe ich um 8h auf, gehe duschen und packe alles ein. Um 9h gehe ich runter ins Hotel Restaurant. "Hallo, ich hatte für 9h Frühstück bestellt." "Ok, welche Zimmernummer haben Sie?" (YES! ich wurde gesiezt!!!) "112" "Ok, dann setzen Sie sich doch bitte dort hin." Ich setze mich auf den mir zugewiesenen Platz. In der Mitte des Restaurant. NIEMAND anderes ist da. Ich komme mir vor wie auf dem Servierteller. Die Kellnerin kommt mit meinem Tablett wieder. "Sind Sie alleine?" Nach was sieht es denn aus? "Ja bin ich" Sie nickt nur, geht dann und lässt mich mit meinem Essen alleine. Ich versuche möglichst schnell alles in mich hinein zu stopfen, ohne dass es ungenierlich aussieht. Ich bin ein Eckenkind. Ich sitze NIE freiwillig in der Mitte. NIEMALS. Nachdem ich aufgegessen habe gehe ich nochmal hoch in mein Hotelzimmer und putze meine Zähne. Ich packe nochmal um und gehe dann zur U-Bahn um zum Stuttgarter Hauptbahnhof zu fahren.
An der Station fahren laut Plan 3 Bahnen. Tatsächlich fahren nur 2: die U13, die nicht über den Bahnhof fährt und die U6, welche ich brauche. Die U13 fährt an mir vorbei. Noch eine U13 fährt an mir vorbei. Und noch eine. Dann eine Betriebsfahrt der U6, in die ich nicht einsteigen darf. Es kommt noch eine U13. Und noch eine. Dann, nach über einer halben Stunde, endlich eine unglaublich volle U6, die ich zum Bahnhof nehme. Natürlich verpasse ich den Zug, welchen ich eigentlich nehmen wollte. Na klasse. Ich gucke in meiner DB App, der nächste Zug nach Pforzheim den ich mit meinem Ticket nehmen darf fährt erst in einer Stunde (Und nein, ich werde von niemandem gesponsort... auch wenn ich die DB App häufiger Mal erwähne). Shit. Ich gehe etwas am Bahnhof auf und ab und schreibe Jules, die mich am Bahnhof abholen will. Ich sehe einen weiteren RB nach Pforzheim, den meine App nicht angezeigt hat. Merkwürdig. Ich steige ein. Nach einigem Hin und Her mit Jules wird mir klar, dass die DB App, natürlich keine Züge von anderen Anbietern anzeigt. Ich komme mir blöd vor. Es ist mir schon zuhause häufig aufgefallen, dass einige Züge nicht angezeigt werden aber irgendwie ist mir nie aufgefallen WARUM. (Ich schwöre, ich bin nicht dumm... nur gelegentlich etwas alltags-untauglich)
Wir schreiben noch etwas, nach wem oder was der jeweils andere Ausschau halten soll. Ein Problem an online Freundschaften: man kann sich nie so ganz sicher sein, wie der andere im echten Leben aussieht. Meine Beschreibung: sehr rote Haare, eine schwarze Maske mit Noten, graues Tshirt, viel zu vollgestopfter blauer Rucksack. Ihre: 3 Menschen, 2 Mädchen, 1 Junge, zwei Brillen. Nachdem der Zug in so ziemlich jedem Dorf auf dem Weg zwischen Stuttgart und Pforzheim gehalten hat komme ich endlich an.
Die Blumenkästen die rund um die Aufgänge angebracht sind bringen mich zum lächeln. Etwas weniger nervös mache ich mich auf den Weg zur Eingangshalle. Anders als angekündigt erwarten mich dort nur Jules und ein anderes Mädchen. Wir erkennen uns recht schnell, ihre Maske vom Festspielhaus Neuschwanstein in Füssen ist ein eindeutiges Indiz, genau wie das Tanz der Vampire Tuch, was sie um den Arm gewickelt hat. Ich folge den beiden nach draußen, wo wir auf die dritte Person der Truppe warten, der grade eine Runde mit dem Auto dreht (vermutlich da er keinen Parkplatz gefunden hat?) Nach kurzer Zeit taucht er auf und wir steigen ein. Die Gespräche laufen anfangs etwas stockend, während wir zum Sommerberg in Bad Wildbad (glaub ich?) fahren. Irgendwann frage ich nach den Namen von den beiden. Die Vorstellungsrunde kann man ja so schnell vergessen... und stelle mich ebenfalls vor. Nach kurzer Zeit, in der mir einige Anekdoten über Pforzheim erzählt werden kommen wir an. Tobi beschließt, dass er "das Gefühl hat, dass wir oben nicht parken können" und somit parken wir auf halber Strecke. Es beginnt eine Bergwanderung. Versteht mich nicht falsch, ich wandere total gerne, aber 1. trage ich Vans, also nicht unbedingt die idealen Wanderschuhe, 2. habe ich immer noch nur mein eines T-Shirt, was ich schon gestern durch geschwitzt hatte und mir tun jetzt schon die Leute leid, die auf der Rückfahrt im selben Abteil wie ich sitzen werden und 3. habe ich absolut keine Kondition.
Die 3 kommen von dort und sind Berge gewohnt. Tobi läuft vorneweg und hält immer mal wieder kurz an, Naffel folgt ihm und legt zwischendurch auch ein paar Pausen ein. Dann folgt Jules und als Schlusslicht ich, mit hoch rotem Kopf und so laut schnaufend, dass man es vermutlich noch 3 Dörfer weiter hören kann. Dankenswerterweise halten wir immer mal wieder an, damit ich zu Atem kommen kann. Trotzdem bin ich als Tobi uns verkündet, dass wir jetzt etwa die Hälfte der Strecke geschafft hätten total fertig. "Ich bin vom Niederrhein, der heißt aus gutem Grund so" stöhne ich, "Der höchste Berg den wir haben ist der Müllberg und der ist nicht wirklich ein Berg." Die Mädels geben immer mal wieder von sich, dass auch ihre Kondition nicht viel besser ist als meine, sie sehen aber nur halb so fertig aus. Nach etwa einer Stunde kommen wir oben an und ich verfluche mich dafür, mein Trinken im großen Rucksack im Auto gelassen zu haben. (Immerhin war ich so schlau nicht den großen Rucksack mit mir den Berg hoch zu schleppen...) Naja egal, ich werde es überleben. Oben angekommen ist das erste was wir sehen ein Parkplatz auf dem auch unser Auto noch locker einen Platz gefunden hätte. Na toll. Aber dafür habe ich zumindest dieses Jahr auch nochmal einen Berg aus der Nähe gesehen. Ich folge den dreien weiter bis zum Baumwipfelpfad und denke ein bisschen über die doch sehr surreale Situation nach: Ich bin mit 3 Menschen, von denen ich zwei grade vor 10 Minuten am Bahnhof erst kennengelernt habe unterwegs. Die dritte kenne ich aus einer Musical Whatsapp Gruppe und das erste mal, dass wir wirklich privat geschrieben haben ist nicht mal eine Woche her. Ich wäre, hätte das Konzert stattgefunden (weshalb ich eigentlich nach Stuttgart gefahren bin) wahrscheinlich immer noch im Bett im Hotel in Stuttgart und hätte mir heute höchsten noch die Innenstadt für eine Stunde angeguckt. Stattdessen befinde ich mich auf einem Berg in Bad Wildbad, von dem ich vorher noch nie gehört hatte.
Nach wenigen Minuten entdecken wir die Schlange zum Pfad und gucken uns die Preisliste an. "Bist du auch Schüler oder Student?", werde ich gefragt. "Student", sage ich und suche meinen Ausweis raus, nur für den Fall (wobei, seien wir ganz ehrlich, im Museum in Haithabu bin ich als Kind durchgegangen und das ist 4 Tage her...) Nach kurzer Zeit halten wir unsere Karten in der Hand und gehen durch das Tor auf den Baumwipfelpfad. "Du hast aber keine Höhenangst, oder?", fragt mich Jules. Doch habe ich. Mal sehen wie gut das geht.
Wir lassen einige Familien vorbei und gehen los. Wir nehmen natürlich jede "Kletterstation" mit und mir wird bei dem Netzboden der Stationen auch nur minimal übel. Auf dem Pfad ist alles gut. Wir wundern uns etwas über die "Was sieht man denn hier?" Stationen, die alle entweder auf den Pfad oder direkt auf einen Baum gerichtet sind. Kurios.
Nach einiger Zeit höre ich von Tobi hinter mir ein "Sehe ich das richtig?" und er deutet auf meinen Nacken. Ich ziehe das Shirt etwas runter, sodass man das Avengers Tattoo richtig sehen kann. "Mega cool. Die da hat noch nie in einen Marvel Film gesehen!", er zeigt anklagend auf Jules. Wie kann sie nur? "Aber ich habe sie mittlerweile gezwungen Deadpool zu gucken." Sehr gut. "Dafür hab ich ihn schon mit zu Roberta geschleppt!", verteidigt sich Jules. Noch besser. Danach ist das Eis endgültig gebrochen und wir unterhalten uns völlig ungezwungen über alles mögliche.
Ich liebe Berge und Wald sehr und hier sind wir von beidem umgeben. Auch die Höhe macht mir nach kurzer Zeit gar nichts mehr aus und wir bleiben immer wieder stehen um über den Rand des Pfads herunter in die Büsche und Bäume zu gucken. Es ist erstaunlich leer, dafür dass hier noch Schulferien sind, sodass wir nie lange warten müssen um die Kletterstationen zu nutzen.
Jules erzählt, dass sie "bei Sabine" eines der letzten Male hier war. Nach einigen Minuten habe ich dann auch verstanden, dass sie von Sturmtief Sabine im Februar redet und steige mit in die Konversation ein, als Tobi erzählt, dass er bei Sabine auf einem Konzert war. Das war ich auch. Und bin beinahe nicht hin, geschweige denn davon zurück gekommen. (An dieser Stelle nochmal ein riesig großes Dankeschön, an J. der mich damals aus Essen von "When Musical meets history" abgeholt und sicher nach Hause gebracht hat.)
Irgendwann hören wir Kindergeschrei aus der Ferne und wissen, dass es nicht mehr weit bis zum Turm am Ende des Pfads sein kann. Wir kommen dort an und schlängeln uns hoch. Auf halber Höhe bleiben wir stehen und beobachten, wie die Matten für die Rutsche in der Mitte des Turms nachgeladen werden. Wir wundern uns ein wenig, warum der Dude, der unten für das Umhängen der Matten zuständig ist zwar Maske aber keinen Helm trägt. Höchst merkwürdig, wenn in einem Bereich ca 5m von ihm niemand anderes hin kommen kann aber er locker von einer herunterfallenden Matte oder ähnlichem erschlagen werden könnte. Naja, vielleicht haben wir einfach eine andere Prioritätensetzung. "Hannah, du musst mal sagen, dass du weiter willst", höre ich es neben mir und gucke irritiert. "Ach, Quatsch, Noah!" Naja, immerhin 2 Buchstaben, oder 3? Je nachdem. Er entschuldigt sich, ich finde es lustig. Wir gucken noch zu ende, bis die neue Ladung Matten oben angekommen sind und gehen dann weiter hoch.
Nach einigen weiteren Runden sind wir oben angekommen und überblicken den Schwarzwald. Wir gehen den Rundgang entlang und bleiben immer wieder stehen um zu gucken in welcher Richtung welche Stadt liegen könnte. Mein Geographieverständnis ist deutlich schlechter als das der anderen 3. Ich hätte uns viel mehr im Landesinneren vermutet. Aber ich habe auch von 90% der Dörfer noch nie etwas gehört.
Irgendwann, nachdem wir einmal rum sind gehen wir wieder runter auf die Höhe der Rutsche, natürlich erst, nachdem jeder von uns unglaublich viele Bilder von Wald aus allen Himmelrichtungen auf dem Handy hat. Kurz angestanden, ein gefallener Euro (Naffel aus der Hand gefallen und gekonnt durch einen Schlitz in der Holzplattform gerollt) und eine Diskussion über die Maske später ("Wir können die Rutsche nicht von innen desinfizieren" ja warum auch?) sind
wir dran. Der Abgang dauert länger als erwartet, mir ist danach etwas schwindelig aber es ist sehr lustig. Ich habe ewig nicht mehr auf einer Rutsche gesessen. Wir suchen kurz nochmal nach dem Euro, geben aber schnell auf und beschließen ihn als Spende dort zu lassen.
Wir gehen zur Skihütte, ein paar Meter vom Baumwipfelpfad, essen und trinken dort etwas. Danach gehen wir auf dem Märchenwanderweg in Richtung Hängebrücke. Der Weg ist gesäumt von Steintürmchen. Es wirkt wirklich wie in einem Märchenwald, besonders das Moos, was über die Hügel wächst verstärkt den Eindruck sehr. Wir bleiben an einigen der Märchenstationen stehen und sehen sie uns an. Nach kurzer Zeit kommen wir an der Brücke an. Wir kaufen uns 4 Karten. Ich habe Angst. Himmel ist die Konstruktion hoch, 380m am höchsten Punkt (Glaube ich... aber ich bin unglaublich schlecht mit Zahlen, vielleicht habe ich es mir falsch gemerkt...). Wir gehen durch die Tore und betreten die Brücke. Es wackelt. Wir schwanken weiter, bis zum höchsten Punkt und setzen uns auf die Brücke. Es ist so surreal hoch, dass uns die Höhe kaum etwas ausmacht. Wenn man ins Tal guckt ist auch das Schaukeln der Brücke nicht mehr so intensiv und man kann alles einfach ausblenden und den Ausblick genießen. Wir bleiben recht lange dort und starren hinaus in den Wald. Nach einiger Zeit gehen wir weiter und wieder zurück. Auf dem Rückweg entsteht noch ein Gruppenfoto um den Tag (und die HÖHE!) in Erinnerung zu behalten.
Es ist relativ spät und wir müssen uns auf den Rückweg machen, damit ich meinen Zug noch erwische. Ich hatte schon auf meiner Fahrt nach Pforzheim mit Jules abgesprochen, dass es schlauer wäre, ich fahre nicht von Stuttgart, sondern von der folgenden Station, Bruchsal (was ich mir nur merken kann, weil es wie Bruchtal aus "Herr der Ringe" klingt), den Zug nehme. Dadurch könnte ich knapp 2 Stunden länger mit den dreien verbringen, als wenn ich zurück nach Stuttgart fahre um dort den Zug zu nehmen.
Wir suchen nach dem Weg, den wir auch hoch geklettert sind. Dank Tobi finden wir ihn und machen uns an den Abstieg. Es geht deutlich schneller und einfacher als der Aufstieg, obwohl wir einige Male vor uns hin stolpern. Recht schnell sind wir wieder beim Auto. Die drei bringen mich bis zum Bahnhof in Bruchsal, wo wir uns verabschieden. Ich bedanke mich für den wirklich tollen Tag und gebe ihnen weiter, dass sie sich unbedingt melden sollen, wenn sie mal in NRW sein sollten (also, mein voller Ernst, wenn ihr drei oder "Anton", u know who u are mal in NRW sein sollten, sagt mir bescheid!). An der Stelle nochmal ein großes Dankeschön! Es war wirklich toll und ohne euch, hätte ich das alles niemals gesehen und hätte 90% des Tages im Hotelzimmer verbracht. Danke!
Recht schnell ist mein Zug angekommen und ich fahre bis Frankfurt Hauptbahnhof. Als ich an Heidelberg vorbei fahre schreibe ich einer Freundin die dort wohnt (der NRW Hinweis gilt auch für dich, natürlich), sie beschäftigt mich die restliche Fahrt bis Frankfurt mit Fakten über Bahnhöfe (es war eine wirklich interessante Unterhaltung, auch wenn es nicht so klingt).
In Frankfurt Hauptbahnhof gucke ich wo mein nächster Zug fährt. Er fällt aus. Verdammt.... Leicht in Panik renne ich zum DB Schalter. "Ja, also der Zug fährt heute leider nicht von hier, sondern vom Flughafen" Ja klasse. Danke für gar nichts. Der Beamte weist mich an den nächsten Zug zum Flughafen zu nehmen. Da mein Zug Verspätung hat sollte ich ihn dort noch erwischen. Sehr zuversichtlich, der Gute... Ich renne also zum Gleis und steige ein. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen wir am Flughafen an. Ich muss auf "Ferngleis 7". Ich bin auf EINEM Gleis 7... Ich renne zum nächsten Bahnbeamten und frage ihn aufgeregt wo Ferngleis 7 ist oder ob wir da sind. Er sagt mir fröhlich, dass wir auf dem richtigen Gleis sind. Ich gebe ihm zwei Daumen hoch und bedanke mich überglücklich. Er ruft mir lachend ein "JAAAA" hinterher.
Lächelnd warte ich auf den Zug, der zu der in der App angegebenen Zeit ankommt. Ich finde meinen reservierten Platz und lasse mich fallen. Der Zug fährt extrem schnell bis Köln durch. Ich bekomme Druck auf den Ohren von der Geschwindigkeit. Merkwürdig. Meine Musical Gruppe hält mich die Fahrt über bei Laune und der Zug schafft es bis Düsseldorf die Verspätung aufzuholen, sodass ich meinen angestrebten Zug bekomme. Zurück am Heimatbahnhof erwische ich zeitnah einen Bus und bin gegen 22:30h endlich zuhause. Ich freue mich sehr auf mein Bett. Endlich wieder in meinem eigenen Bett!
Fazit: Wenn irgendwer behaupten sollte Internetfreundschaften wären keine echten Freundschaften, zeigt ihnen diesen Artikel. Vielen, vielen Dank an Tobi, Naffel und Jules für alles. Ich war zwar nicht aufs Wandern eingestellt, aber man, ich liebe Berge und Wälder, auch wenn ich dabei nicht so aussehe. Es war toll. Wenn ihr jemals die Chance dazu bekommen solltet in den Schwarzwald zu fahren, guckt euch den Baumwipfelpfad und die Brücke an. Aber als Punkt, der hieraus gelernt werden sollte: plane einen Urlaub nie aus. Spontane Ideen und Pläne können sehr viel schöner sein, als alles was man vorher geplant hatte.
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